„Eine zukunftsgerichtete Infrastruktur denken“, so lautet der Vortrag von Dr. Frank Mastiaux Vorstandsvorsitzender der EnBW Energie Baden-Württemberg AG am 19. Mai 2022, 18:00 in der Kaufmannskirche in Erfurt (siehe AKTUELLES vom 18. März 2022).
Die Infrastruktur in Deutschland wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern müssen. Das gilt sowohl für die Gestaltung und Auslegung der Anlagen, wie auch ihr Zusammenspiel.
Das gilt zudem für die Geschwindigkeit und das Vorgehen bei Projektplanungen und Projektumsetzungen, wie auch für die Abstimmung der handelnden Akteure.
Das ist Anlass für AKTUELLES, im Vorfeld der Rede von Frank Mastiaux eine Diskussion anzuregen.
Was macht eine zukunftsfähige Infrastruktur aus? Welche gesellschaftlichen Notwendigkeiten sind zu beachten? Wie steht es um Sicherheit, ständige Verfügbarkeit oder Finanzierbarkeit? Was erwartet die Gesellschaft, was der Gesellschafter von einem Infrastrukturunternehmen in der Zukunft? Wie kann neues Denken in Sachen Infrastruktur entwickelt werden? – Das sind nur einige der Fragen, die dabei Erörterung finden sollen.
AKTUELLES bietet Leistungsträgern verschiedener Bereiche, Gelegenheit, ihre Sicht zu beschreiben.
Nachfolgend die Einschätzung von Dr. Ralf Thaeter, Partner Herbert Smith Freehills LLP, Global Lead Partner International Markets:

Dr. Ralf Thaeter, Partner, Herbert Smith Freehills LLP, Global Lead Partner International Markets. Foto: Marcus Urban, Berlin. 

Deutschland hat es sich über Jahrzehnte wohlig bequem gemacht. Bis zum 24. Februar 2022 kam im Denken vieler unser Strom aus der Steckdose und unser Gas aus der Leitung. Wer dachte beim Thema Energiesicherheit daran, dass Deutschland ernsthaft darüber debattieren muss, wie wir von heute auf morgen auf 55% des in Deutschland verbrauchten Gases verzichten können? Politik im Großen wie im Kleinen erkennt im Zeitraffer, dass die Forderung, auf fossile Energieträger zu verzichten, nicht mehr aussitzbar ist. Vielmehr stellt die Drohung den Gashahn zugedreht zu bekommen, die deutsche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine Probe nie gekannten Ausmaßes. Plötzlich geht es nicht mehr um die Klimaziele in ein paar Jahrzehnten. Es geht um die Wirtschaftskraft Deutschlands und Europas jetzt.

Energiesicherheit hat viele Aspekte. Da ist zunächst die Versorgungssicherheit, die unterbrechungsfreie Versorgung mit Energie, immer just in time und an dem Ort, wo sie gebraucht wird, bislang eine Selbstverständlichkeit. Energiesicherheit heißt auch, Energie bereit zu stellen, die Klimaneutralität erreicht. Nur klimaschonende Energie ist sicher. Dafür ist die Infrastruktur nötig, die beides

gewährlisten kann, und die finanzierbar bleibt. Eine Generationenaufgabe, die jetzt anzugehen ist.

Die klare Forderung an die Gesetzgeber, aber auch an die Zivilgesellschaft ist es, ins Handeln zu kommen. Die beschworene Zeitenwende in der Sicherheits- und Außenpolitik erfasst auch die Energie- und Infrastrukturpolitik. Sie geht nicht ohne oder gegen die Zivilgesellschaft, sondern nur mit ihr. Die Zivilgesellschaft hat eine gesamtgesellschaftliche Pflicht, den eigenen Beitrag zu leisten. Wenn die Zustimmung in Politik und Zivilgesellschaft zu einer fundamental anderen Sicherheitspolitik heute so groß ist wie nie, so wird auch die Zustimmung zu einer Infrastrukturpolitik, die die Abhängigkeiten von Exporteuren der fossilen Energieträger verringert, genau jetzt so groß sein wie nie. Dieses Momentum gilt es zu nutzen.

Eine zukunftsgerichtete Infrastruktur braucht also unter anderem: 

  • Vorfahrt für Errichtung neuer und Upgrade vorhandener Infrastruktur durch eine Reform der einschlägigen Gesetze und Genehmigungsverfahren, die nicht mehr Projektverhinderung, sondern Projektermöglichung im Sinne des Gemeinwohls sind.
  • Eine Bürgerbeteiligung, die sich von den bekannten, quälend langen und ineffizienten Verfahren abhebt, die betroffenen Kreise einbindet und ihr auch wirklich zuhört. Die Anhörung muss zum Zuhören Die berechtigten Sorgen, Nöte und Bedürfnisse der von einem Infrastrukturprojekt Betroffenen können nur so prozessökonomisch bewältigt werden.
  • Politik und Wirtschaft haben neue Finanzierungsmodelle zu schaffen. Die Investitionen in Infrastruktur haben Größenordnungen, für die einzelne Unternehmen alleine nicht ins Risiko gehen können. Denkverbote bringen uns hier nicht weiter. Warum nicht einen Teil der Rentenkasse auf Beteiligung an regionalen oder überregionalen Infrastrukturfonds umstellen?
  • Die Zivilgesellschaft hat es hinzunehmen, dass eine zukunftssichere Infrastruktur nicht unsichtbar bleibt, sondern – mitunter ganz erhebliche – Einschränkungen mit sich bringt. Vereinfacht gesagt: Windräder, Stromleitungen, Gastransportnetze sind nicht unsichtbar.

Infrastruktur zukunftsgerichtet zu denken ist gut, jedoch nur ein allererster Schritt. Handeln ist die Tugend der Stunde.

Dr. Ralf Thaeter: Curriculum Vitae

Ausbildung 

11/1982 – 09/1986               

Studium der Rechtswissenschaften sowie Fachspezifische Fremdsprachenausbildung Englisch und Russisch an der Universität Passau, Abschluss Erstes Juristisches Staatsexamen 

04/1987 – 09/1989               

Rechtsreferendar am LG Landshut, LRA Passau, VG Regensburg und in der Zentrale (Rechtsabteilung) der Deutsche Bank AG, Frankfurt.
Abschluss Zweites Juristisches Staatsexamen 

03/1991                                  

Promotion zum Dr. jur. an der Universität Passau. Thema der Dissertation: „Sowjetisches Unternehmenssteuerrecht und seine Prinzipien“

 09/1991 – 06/1992               

International Legal Studies am Washington College of Law der American University, Washington, D.C. als Stipendiat der Fulbright-Kommission. Abschluss Master of Laws (LL.M.). Outstanding Graduate Student Award der American University.

Berufsweg 

09/1986 – 12/1990               

studentische und wissenschaftliche Hilfskraft, zuletzt Akademischer Rat am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht sowie Ostrecht, Prof. Dr. Martin Fincke. Forschungsschwerpunkt: Verfassungsrecht und Steuerrecht der UdSSR.

 01/1991 – 12/1993               

Rechtsanwalt (Associate) bei Gleiss Lutz Hootz Hirsch & Partner, Stuttgart. Schwerpunkt Mergers & Acquisitions und Gesellschaftsrecht, insbesondere grenzüberschreitende Transaktionen (zum Studium in Washington beurlaubt).

 01/1994 – 06/1997               

Partner, Gleiss Lutz Hootz Hirsch & Partner. Leiter des Prager Büros

 07/1997 – 03/2013               

Partner, Gleiss Lutz Hootz Hirsch & Partner, Berlin. Gründung und Leitung der Praxisgruppe Energie, Leiter der Praxisgruppe Corporate / M&A (2006 – 2009). Tätigkeitsschwerpunkte: Transaktionen, besonders im Bereich der Energiewirtschaft, im In- und Ausland.

Seit 04/2013                          

Partner, Herbert Smith Freehills LLP, bis 01/2018 Managing Partner Deutschland; seit 02/2018 Global Lead Partner International Markets.