„Eine zukunftsgerichtete Infrastruktur denken“, so lautet der Vortrag von Dr. Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, zur 2. Erfurter Zukunftsrede am 19. Mai 2022, 18:00 in der Kaufmannskirche in Erfurt. Nach der Rede sind eine moderierte Diskussion sowie ein Empfang geplant.
Vi-Strategie GmbH sucht bereits im Vorfeld einen ersten Meinungsaustausch zum Thema und bittet Expert:innen um Ihre Sicht bezüglich einer „zukunftsgerichteten Infrastruktur“ in puncto Energie-, Wärme-und Verkehrswende sowie beispielsweise auch der digitalen Durchdringung der Gesellschaft. Die Statements sind wichtige Indikatoren, machen deutlich, wo wir stehen und was zu tun ist, fernab geschönter Beschreibungen. Hier die Einschätzung von Steffen Apfel (DE), PricewaterhouseCoopers (PwC), Partner, Head of Deals Energy (10):
Nie hatte die deutsche Energiewirtschaft so viele Herausforderungen zeitgleich zu lösen wie heute. Privates Kapital kann ein Teil der Lösung sein.
Die deutsche Energiewende ist ein Mammutprojekt. Das zeigen alleine schon die dafür erforderlichen Investitionen: Diese werden sich – diversen Studien wirtschafts- und energiewirtschaftlicher Institutionen zufolge – bis Mitte dieses Jahrhunderts auf rund 500 Milliarden Euro summieren. Nicht ausgeschlossen, dass es noch mehr werden.
Die Finanzierung dieses Investitionsvolumens für eine klimaneutrale Gesellschaft ist eine immense Herausforderung für Energieversorgungsunternehmen (EVUs), zumal sie zeitgleich noch mehr Aufgaben zu bewältigen haben:
So ist die Versorgungssicherheit wieder zu einer gesamtgesellschaftlichen Top-Priorität geworden – und damit auch die Beschaffung von Energie aus regenerativen Quellen, um Deutschland schnellstmöglich weniger abhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Die Nachfrage nach „grüner“ Energie ist derzeit höher als das Angebot. Und sie steigt weiter. Der daraus resultierende Wandlungsdruck auf deutsche EVUs ist kaum zu überschätzen.
Zudem müssen sie massiv in IT und Digitalisierungskompetenzen ihrer Mitarbeiter:innen investieren, um mit dem gesellschaftsweit rasanten Digitalisierungstempo mitzuhalten.
Nur durch hohe Investitionen sind digitale Geschäftsmodelle – etwa via Smart-Meter-Rollout – überhaupt möglich. Und EVUs brauchen digitale Geschäftsmodelle dringend, um unter anderem gegenüber neuen Wettbewerbern, vor allem jungen und etablierten Technologieunternehmen, konkurrenzfähig zu bleiben.
Auch ein immer intensiverer Wettbewerb, mehr und mehr regulatorische Vorgaben, insbesondere mit Blick auf ESG- und Taxonomievorgaben, sowie von der Bundesnetzagentur gesenkte Eigenkapitalverzinsungen für Strom- und Gasnetze münden in zunehmendem Druck auf die Profitabilität von EVUs.

Steffen Apfel, PricewaterhouseCoopers (PwC), Partner, Head of Deals Energy, Foto: Steffen Apfel.
Letztlich geht das zu Lasten ihrer Finanzierungsfähigkeit.
Erschwerend kommt hinzu, dass die überwiegend kommunalen Eigentümer von EVUs möglichst hohe Gewinnbeiträge ihrer Stadtwerke benötigen, um andere kommunale Aufgaben damit zu finanzieren.
Eine an dieser Stelle letzte Herausforderung: Künftige Finanzierungen allein mit Fremdkapital zu decken, wird perspektivisch für deutsche EVUs auch deshalb herausfordernder, weil ihr Verschuldungsgrad in den vergangenen Jahren im Schnitt gestiegen ist.
Sollte die Europäische Zentralbank aufgrund der höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten in den kommenden Monaten die Leitzinsen anheben, würde dies die Finanzierungskosten für EVUs mittelfristig entsprechend nach oben treiben.
Deshalb muss die Politik dringender denn je dazu beitragen, die Profitabilität der EVUs zu erhalten. Denn nur profitable Unternehmen können die Energiewende finanzieren.
Ebenso muss die Politik die Rahmenbedingungen so gestalten, dass EVUs mit neuen, die Energiewende vorantreibenden Geschäftsmodellen angemessene Renditen erwirtschaften können.
EVUs sollten derweil auch privates Kapital verstärkt in ihre Finanzierungsstrategien integrieren. Partnerschaften zwischen Stadtwerken und privaten Investoren auf Projektebene ermöglichen Finanzierungen außerhalb der Stadtwerkebilanzen – und so auch verbesserte Bonitätskennziffern.
Private Investoren suchen intensiv nach planbaren und sicheren Investitionsmöglichkeiten!
Vor diesem Hintergrund sind Stadtwerke mit ihrer kommunalen Eigentümerstruktur und ihrem vertrauensvollen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern in einer starken Verhandlungsposition.
Auch diese sollten sie nutzen, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Steffen Apfel: Curriculum Vitae (Kurzvita)
Herr Apfel ist Partner bei PwC und verantwortet innerhalb PwC Deals den Energiesektor.
Er berät seit fast 25 Jahren Unternehmen in der Energiewirtschaft bei Transaktionen und Finanzierungen.
Vor seinem Eintritt bei PwC war er Managing Director bei goetzpartners, leitete die deutsche Niederlassung der auf den Energiemarkt spezialisierten US-amerikanischen Corporate Finance Boutique Fieldstone und war Leiter der Industry Group Energy & Utilities im Bereich Capital Markets and Advisory der Commerzbank. Er begann seine Karriere bei Arthur Andersen.