„Eine zukunftsgerichtete Infrastruktur denken“, so lautet der Vortrag von Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, zur 2. Erfurter Zukunftsrede am 19. Mai 2022, 18:00 in der Kaufmannskirche in Erfurt. Nach der Rede sind eine moderierte Diskussion sowie ein Empfang geplant. Vi-Strategie sucht bereits im Vorfeld einen ersten Meinungsaustausch zum Thema. Hier die Sicht von Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland (18):

Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, Foto: Carsten Schneider.
Der Überfall Putins auf die Ukraine hat vieles, fast alles verändert. Seit Ausbruch des Krieges stehen für die Deutschen wie für alle Europäer die gewohnte Art zu leben wie zu produzieren oder den Handel zu organisieren auf dem Prüfstand. Lange als feste Gewissheit angesehene Verbindungen und Absprachen zwischen den Volkswirtschaften tragen nicht mehr. In vielen Bereichen – zuvorderst in bei der sicheren Versorgung von Industrie wie Bevölkerung mit Energie – müssen neue Wege gegangenen werden. Und das schnell. Zur Umsetzung ihrer Reformpläne hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Ziele gesetzt. Die lassen sich nur erreichen, wenn bei den Genehmigungsverfahren beschleunigt und der Umsetzung beherzt angepackt wird.
Zunächst gilt es, die Folgen kompletter Einfuhrstopps für russisches ÖL in den Griff zu bekommen. Gerade die großen ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt sind bisher auf die Lieferungen über die Druschba-Trasse angewiesen. Die ganze Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung, die unter veränderten Rahmenbedingungen Versorgungssicherheit schafft und Arbeitsplätze sichert. Ich habe Leuna und Schwedt besucht. Ich weiß, wie groß die Sorgen der Menschen dort sind.
Die Ostdeutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass sie sich auf ändernde Bedingungen einstellen können. Wobei ich untertreibe; es gibt in Europa keinen vergleichbaren Landstrich, der sich derartig schnell transformieren musste.
Die Ostdeutschen dürfen stolz auf das von ihnen bisher Erreichte sein. Die großen Ansiedlungen der jüngsten Zeit – Tesla in Grünheide, Intel in Magdeburg oder aber auch das Batteriewerk CATL am Erfurter Kreuz sind auch Antwort auf einen besonderen Spirit, den die Manager bei ihrer Standortsuche im Osten Deutschlands gefunden haben.
Doch offen gesagt, der Pragmatismus der Menschen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder in Thüringen, um bei den drei genannten Beispielen zu bleiben, hätte allein wohl nicht gereicht. Entscheidend für den jeweiligen Zuschlag waren noch andere Faktoren, vor allem: verfügbare Flächen, Verkehrs-Infrastruktur und die Produktion von grünem Strom. Gerade letzteren können die tradierten Boom-Regionen im Süden und Südwesten des Landes gar nicht in erforderlicher Menge bereitstellen. Die Transformation hin zu erneuerbaren Energien stellt für Ostdeutschland eine große Chance dar, auch für Leuna, auch für Schwedt.
Dazu gehört aber auch eine in Ostdeutschland gelebte Modernität, die nicht alles Unbekannte von vornherein verteufelt und die sich offen für andere Kulturen zeigt. Gelingt das, kann der Dreiklang aus Pragmatismus, verfügbaren Flächen und grüner Energie gerade in den neuen Bundesländern für einen für die ganze Gesellschaft spürbaren Schub sorgen.
Carsten Schneider: Curriculum Vitae
geboren am 23. Januar 1976 in Erfurt, verheiratet, zwei Kinder
1991 bis 1994
Abitur am Johann-Wilhelm-Häßler-Gymnasium in Erfurt
1994 bis 1997
Ausbildung zum Bankkaufmann
1995
Eintritt in die SPD
1995 bis 1999
Mitglied im Kreisvorstand der SPD Erfurt
1997 bis 1998
Zivildienst in Erfurt
1998
Bankkaufmann bei der Sparkasse Erfurt
seit 1998
Mitglied des Deutschen Bundestages
1999 bis 2003
Mitglied im Landesvorstand der SPD Thüringen
2005 bis 2013
Haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
2013
Abschluss des weiterbildenden Studiums „Public Policy“ an der Universität Erfurt
2013 bis 2017
Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
2014 bis 2017
Stellvertretender Landesvorsitzender der SPD Thüringen
2017 bis 2021
Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion
seit Dezember 2021
Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland