Zum Beitrag „Wo der Verkehrsminister kurzsichtig ist“ von Axel Ockenfels und Andreas Kuhlmann, F.A.Z. vom 01.02.2022 meldet sich unser MDEG-Beiratsmitglied und Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig Dr. Oliver Rottmann zu Wort:
„Die Autoren weisen zurecht auf flankierende politische Maßnahmen zum Umstieg auf E-Mobilität hin. Allerdings bieten Mautsysteme nicht das Heilmittel, das der Beitrag suggeriert. Die Skepsis des Bundesverkehrsministers ist angebracht, und zwar nicht nur bzgl. der Bezahlbarkeit von Mobilität, sondern auch mit Blick auf Effizienz und Effektivität sowie auf Opportunitäten in der Stadtstruktur.

Dr. Oliver Rottmann, Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig und Mitglied des MDEG-Beirat.
Die Einführung von Maut-Systemen im urbanen Kontext intendiert eine Verteuerung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV). Hohe Verkehrsaufkommen sollen dadurch reduziert werden. Die Autoren argumentieren, eine angebotsseitige Politik zur Verkehrsreduktion sei unwirksam, da diese „mehr Verkehr, nicht weniger Verkehr“ erzeuge. Gerade in Städten erfordert Mobilität jedoch eine angebotsorientierte Politik: attraktive Netze und Bedienformen und eine nutzerfreundliche Angebotsvielfalt. Allerdings – so die Autoren – wurden „neue Mobilitätsangebote (.) in der Vergangenheit (..) kaum angenommen, weil die ökonomische Steuerung der Verkehre sich kaum verändert hat“. Dies ist korrekt, aber kein Argument pro Maut, sondern fehlgeleitete Politik. Das Henne-Ei-Problem der E-Mobilität illustriert das Dilemma: hier wurde eine Verbreitung bereits am Anfang erschwert, bis heute: Eine vormals zu geringe Produktpalette, zu schwache Reichweiten, hohe Preise und die noch immer ausbaufähige Ladeinfrastruktur hemmen die Verbreitung. Auch scheitern Konzepte der öffentlichen Mobilität nicht selten an Qualität und Angebot des zumeist defizitären Nahverkehrs. Mautsysteme helfen hier nicht, sondern ein attraktiver – und nicht utopisch-kostenfreier – ÖPNV mit entsprechender Finanzierung.
Hierzu gehören der Ausbau des Verkehrsnetzes, höhere Taktfrequenzen, längere Bedienzeiten und vernetzte (idealerweise APP-gestützte) Service- und Informationsangebote.
Eine City-Maut erfordert zudem begleitende raumstrukturelle Maßnahmen. So sind negative strukturelle Entwicklungen für die Region zu beachten, insbesondere im Falle von Veränderungen von Stadt-Umland-Verflechtungen oder wenn Kommunen im Standortwettbewerb stehen. Hierbei müssten für die bestehenden Mobilitätsbedürfnisse der Bewohner verkehrliche Alternativen geschaffen werden, damit durch die Maut nicht nur ökologische Ziele erreicht, sondern auch negative Auswirkungen auf andere städtische Strukturen vermieden werden.
Denn mit der Maut entstehen neue Herausforderungen: Einerseits bedarf es separater Lösungen für den Waren- und Wirtschaftsverkehr, wenn eine Verlagerung von Handelsunternehmen aus den Innenstädten heraus verhindert werden soll. Auch stellen sich für dünn besiedelte Räume spezifische Fragen: Diese sind bereits durch vergleichsweise unattraktive ÖPNV-Angebote gekennzeichnet. Eine Verlagerung des MIV auf den Umweltverbund bedarf hier anderer Maßnahmen, nicht zuletzt der gescholtenen Angebotspolitik.
Das Ziel einer Verkehrsreduzierung und damit einer Verringerung von Luftverschmutzung und Lärmemissionen sind notwendig, besonders in urbanen Räumen. Deutschland, als „Land der Innovationen“, sollte mehrere Maßnahmen verfolgen, als allein auf restriktive Konzepte zu setzen.“
(Die Autoren des F. A. Z. –Artikels STANDPUNKT („Wo der Verkehrsminister kurzsichtig ist“) vom 01.02.2022 Axel Ockenfels, Wirtschaftsprofessor an der Universität Köln, und Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, analysieren, warum aus ihrer Sicht das Nein des Bundesverkehrsministers kurzsichtig sei, es vielmehr beim Umstieg auf die E-Mobilität politischer Unterstützung bedarf und neue Mobilitätsangebote in der Vergangenheit keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Steuerung der Verkehre ausübte.)

Intelligente Mautsysteme sollen beispielsweise helfen, den Verkehr zu steuern oder auch, wie im Bild, Verkehrswege zu finanzieren. Mit einem „Zwischenruf“ meldet sich unser MDEG-Beirat Dr. Oliver Rottmann zu Wort. Foto: PIXABAY
Dr. rer. pol. Oliver Rottmann: Curriculum Vitae (Kurzfassung)
Studium
1999-2004
Studium der Volkswirtschaftslehre (Spezialisierung Finanzwissenschaft) an der Technischen Universität Chemnitz
Berufstätigkeit
1997-1999
Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel bei der Thyssen-Schulte GmbH
2001
Stud. Mitarbeiter am Lehrstuhl Personal und Führung der TU Chemnitz
2003-2004
Stud. Mitarbeiter am Lehrstuhl Mikroökonomik der TU Chemnitz
2003
Praxiseinsatz am Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit
2004
Praxiseinsatz am Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Arbeitsgruppe: Klimapolitik der Bundesregierung, Umwelt und Energie
Tutor am Lehrstuhl Finanzwissenschaft der TU Chemnitz
2005
Wiss. Mitarbeiter am Institut für Institutionelle und Sozialökonomie der Universität Bremen
2005-2009
Wiss. Mitarbeiter am Institut für Öff. Finanzen und Public Management der Universität Leipzig
2010-2014
Geschäftsführer ÖPP Kompetenzzentrum Sachsen
seit 2009
Geschäftsführender Vorstand des KOWID – Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V.
2010
Promotion zum Dr. rer. pol.
seit 2011
Gastprofessur Universität Lyon, Frankreich
2013-2017
Mitglied im Wiss. Beirat des bvöd Bundesverbands öffentliche Dienstleistungen, Deutsche Sektion des CEEP e.V.
2013-2016
Stv. Vorstand P/S/R Institut Wien
2013-2016
Of Counsel Freygner attorney-at-law, Wien/Berlin/Brüssel/Leipzig
2016
Lehrauftrag Universität St. Gallen, Managing Infrastructure Assets
seit 2017
Stv. Vorsitzender/Präsidiumsmitglied des Wiss. Beirats des BVÖD,
Deutsche Sektion des CEEP
seit 2019
Geschäftsführer KOMKIS – Kompetenzzentrum Kommunale Infrastruktur Sachsen an der Universität Leipzig
seit 2021
Mitglied im Wiss. Beirat des VÖWG – Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs
Arbeitsschwerpunkte:
Public Services, Öff. Unternehmen, PPP, Infrastrukturökonomie
Mitgliedschaften:
CDU Wirtschaftsrat
SPD Wirtschaftsforum
Freiherr-vom Stein-Gesellschaft