
2019 startete die erste EAST Energy and Storage Technologies Conference and Exhibition. Intension der Initiatoren war es, Leistungsschau, Dialog-Plattform, Wegweiser und Treiber für die Energiespeicher-Region Mitteldeutschland zu sein. Die Konferenz mit begleitender Fachausstellung sollte jährlich im September stattfinden.
2020 musste die EAST aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden und nunmehr gleichfalls für Juni 2021. Einen neuen Termin gibt es nicht.
Aktuelles hat dies zum Anlass genommen, um Referenten der EAST sowie deren spannende Vortragsthemen vorzustellen.
Im letzten Beitrag dieser Reihe stellte Dr. Dirk Schramm, Geschäftsführer des Ingenieurbüros für Energiewirtschaft Dr.-Ing. Dirk Schramm GmbH, sein Ingenieurbüro vor und beantwortete Fragen zur Datenanalyse mittels künstlicher Intelligenz sowie Fragen zur Zukunft seines Unternehmens. Das Interview finden Sie HIER zum Nachlesen.
Fortgeführt wird die Beitragsreihe nun mit Dr. Kersten Roselt. Er ist Geschäftsführer der JENA-GEOS®-Ingenieurbüro GmbH. Zur EAST 2020 war er als Referent für die Speakers Corner vorgesehen.
Sehr geehrter Herr Dr. Roselt, Sie sind, gemeinsam mit Herrn Jörg Schmidt, Geschäftsführer der JENA-GEOS®-Ingenieurbüro GmbH. Seit mittlerweile 30 Jahren arbeiten Sie für das Ingenieurbüro. Bitte stellen Sie das Unternehmen kurz vor.
Welche Themen sind Bestandteil des JENA-GEOS®-Geschäftsmodells?
Die JENA-GEOS® wurde vor über 30 Jahren zunächst als Geoconsulter mit den Themen Altlasten (Nachwende-Boom), Geologie/Hydrogeologie, Boden, Baugrund, Tiefbauplanung, Kampfmittel gegründet.
Es gab einen Vorgänger in der DDR, aus dem wir uns ausgegründet haben.
Überlebt hat und gewachsen ist das Unternehmen aufgrund seiner breiten fachlichen Aufstellung, die im Verlaufe der Zeit weiter zugenommen hat.
Heute bearbeiten Geologen, Ökologen, Wirtschaftsgeographen, Umweltwissenschaftler, Biologen, Geoinformatiker, Bodenkundler sowie Agrarwissenschaftler gemeinsam und interdisziplinär an vielfältigen Fragen der Transformation. Fast alle unsere Tätigkeiten heute stehen in Verbindung mit dem Klimawandel, den wir in unserer Ingenieurstätigkeit messen können.
Werte schaffen – Risiken minimieren – Nachhaltigkeit gestalten
ist Leitbild unseres Geschäftsmodells. Nachhaltigkeit ist für uns Wachstumstreiber.
Agiert das Ingenieurbüro lokal, national oder international?

Dr. Kersten Roselt, Geschäftsführer der JENA-GEOS®-Ingenieurbüro GmbH, Foto: JENA-GEOS
National / deutschlandweit im Rahmen großer Investprojekte wie den Trassen für Strom und Gas durch ganz Deutschland (Tennet, Ontras, 50Hertz/ Nordstream-EUGAL) im Rahmen bodenschutzrechtlicher oder ökologischer Baubegleitung. In unserer neuen Betriebsstätte in München stehen die Zeichen auf Wachstum bei anspruchsvollen Aufgaben wie der Erweiterung des Main-Donau-Kanals. Der Schwerpunkt liegt jedoch traditionell in Mitteldeutschland bei ökologischen Großprojekten, aber auch Investprojekten des Bundes (DEGES), von Bundestöchtern (BIMA, WISMUT, LMBV, etc.), Landesgesellschaften (LEG, ThEGA, LENA, etc.), Energiekonzernen (TEAG, etc.), zahlreichen Stadtwerken, vor allem aber privater Investoren (ZEISS, SCHOTT, Revitalis, Volvo, Aurelis, etc.) bis hin zu handgemachten Baugrunderkundungen für Hausbesitzer in der Region. Unsere Betriebsstätte in Naumburg konzentriert sich auf die Strukturwandelregion beziehungsweise Metropolregion Mitteldeutschland.
International waren wir mehrere Jahre für Katar und die VAE im Rahmen von Landnutzungsplanungen und Lagerstättenerkundungen tätig. Heute erstreckt sich unsere internationale Tätigkeit vor allem auf die Environmental Due Diligence bei der Veräußerung oder Beteiligung von Unternehmens-Portfolios, mittlerweile auf 5 Kontinenten.
JENA-GEOS® erbringt sowohl Consulting- als auch Forschungsleistungen. An wen richten sich diese Leistungen?
Als Mitbegründer der thüringischen Ingenieurgenossenschaft EnergieWerkStadt® e.G. (EWS) befassen wir uns dort vorwiegend mit dem integrierten energetischen Quartiersumbau auf Basis eigens entwickelter Methoden im systemischen Ansatz. Die EWS praktiziert interdisziplinäre Ingenieursarbeit mit 7 namhaften Thüringer Büros (in Summe 140 Mitarbeiter). JENA-GEOS® (Dr. Roselt) hat aktuell den Vorstand inne. Das Modell der EWS ist eine eigene Story wert.
Unsere FuE-Themen richten sich in erster Linie auf die Energiewende: Geothermie, geogene Wärmespeicherung, Seethermie, energetischer Stadtumbau. Aber auch Flächenmanagement im Zusammenhang mit Klimawandel und Energiewende oder die Umstellung auf Agroforst sind spannende Themen für uns. Diese Projekte qualifizieren uns und verschaffen und mit ihren innovativen Lösungen einen Wettbewerbsvorsprung.
Aktuell wichtige Projekte sind „aquistore“ sowie die Gründung des ZIM-Netzwerkes „URMIT – Umweltwärme Mitteldeutschland“ auf Initiative der JENA-GEOS. JENA-GEOS hat sich bis Ende Mai an der Einreichung 2er WIR!-Initiativen aktiv beteiligt.

Grafik: JENA-GEOS
JENA-GEOS® ist an verschiedenen Projekten, entweder als Projektleiter oder als Projektpartner, beteiligt. Für dieses Interview wurden 3 Projekte herausgesucht. Den Beginn bildet TRAIL. Wofür steht der Name und welche Intension verbirgt sich hinter dem Projekt? Welche Zielgruppe soll mit diesem Tool angesprochen werden?
Welcher Mehrwert ergibt sich für ihre Kunden durch die Nutzung des Online-Werkzeuges?
TRAIL steht für “Transformation im ländlichen Raum” und zielt darauf ab, insbesondere ländlichen Kommunen den Einstieg in die Energiewende zu vereinfachen. Dazu bietet die Website Kartenmaterial mit Informationen zum Strom- und Wärmebedarf in einem 100x100m Raster. Diese Karten sind für jeden interessierten Akteur, ob Kommune, Unternehmen, Bürger oder Verein, für das gesamte Bundesland Thüringen frei einsehbar (TRAILstarter). Der kostenpflichtige Teil TRAILplus richtet sich hauptsächlich an kommunale Vertreter mit Zuständigkeiten in den Bereichen Klimaschutz, Energie, Bau und Ortsentwicklung.
Hier erhalten registrierte Kommunen weitere Karten zu Erneuerbaren-Energie-Potenzialen auf ihrem Gemeindegebiet sowie einen umfangreichen Maßnahmenassistenten. Mit diesem stellen sich die Kommunen über einen Online-Fragebogen einen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Katalog mit Handlungsempfehlungen, Leitfäden und Maßnahmenblättern für den Einstieg in die beziehungsweise die nächsten Schritte zur Realisierung der Energiewende zusammen. Die Maßnahmen adressieren dabei die unterschiedlichsten Aspekte in den folgenden Themenbereichen: Kommunale/Öffentliche Gebäude; Wohngebäude; Gewerbe/Industrie/Landwirtschaft; Aktivierung & Beteiligung von Akteuren; Energieträger Erneuerbare Energien, Technologieoptionen, Straßen- und Freiflächenbeleuchtung sowie auch ganz allgemeine Maßnahmen auf dem Weg der Energiewende.
Wie fällt die bisherige Resonanz aus? Wie viele Kommunen nutzen das Tool seit der Bereitstellung?
Das Tool TRAIL hat schon einige Aufmerksamkeit auf Konferenzen und Fachveranstaltungen erregt. Da die Veröffentlichung von TRAILplus mitten in die Pandemie fiel und so nicht auf Präsenzveranstaltungen mit kommunalen Vertretern publik gemacht werden konnte, ist die Resonanz aus dem Kommunen noch etwas verhalten. Bundesweit sind insbesondere Landesenergieagenturen an den Funktionalitäten und Möglichkeiten von TRAIL interessiert und haben bereits die Übertragbarkeit auf ihr Bundesland angefragt.
Auf der TRAIL-Internetseite werden 3 verschiedene Versionen aufgeführt. Eine Version, TRAILpro, befindet sich noch in der Planung, da die Inhalte und Funktionen im Forschungsprojekt „TRAIL² – Transformation im ländlichen Raum 2“ bis Ende 2022 erarbeitet werden. Welchen Themen widmet sich die „zweite Auflage“ des Projektes?
TRAIL² widmet sich der Vertiefung und Erweiterung der bereitgestellten Informationen und Handlungshilfen. Außerdem wird das Online-Angebot dort um interaktive Elemente beispielsweise zur Erstellung eigener Energienutzungsszenarien, auch mit benachbarten Kommunen, erweitert. Diese Angebote werden nach Projektende und der Weiterentwicklung vom Prototyp zum Produkt unter TRAILpro zur Verfügung stehen. Aufgrund unseres interdisziplinären Forschungsteams können wir hierbei an vielen kleinen Details in den oben genannten Themenfeldern arbeiten und diese zu einem Gesamtkonzept zusammenbringen. So arbeiten wir bei JENA-GEOS im Themenfeld “Energieträger Erneuerbare Energien” an der Erweiterung der Potenziale von Biomasse mit der Betrachtung von Abwärmegewinnung aus Abwasser sowie der energetischen Verwertung von Holzreststoffen, Landschaftspflegematerial und weiterer Organik aus Abfall. Dazu entsteht sowohl neues interaktives Kartenmaterial als auch Maßnahmenempfehlungen zu verschiedenen energetischen Nutzungen unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit. Im Themenbereich Kommunale/Öffentliche Gebäude entstehen gebäudescharfe Informations- und Analysemöglichkeiten zum Gebäudezustand und Energieoptionen in interaktiven Karten (insbesondere seitens der Bauhaus Universität Weimar). Außerdem betrachtet TRAIL² nicht nur einzelne Kommunen, sondern ermöglicht durch interaktive Elemente auch die Betrachtung von Energiepotenzialen und Möglichkeiten über administrative Grenzen hinweg. Stellen Sie es sich so vor: Kommune A hat bisher Entsorgungskosten für Holzreststoffe aus der Bewirtschaftung ihrer Waldgebiete. Diese Reststoffe reichen aber nicht, um eine eigene Energieanlage damit wirtschaftlich zu betreiben. Nun können Sie als Nutzer der Kommune A auswählen, mit welchen Nachbarkommunen Sie zusammen Biomasse verwerten wollen. Das Portal gibt Ihnen nun eine Empfehlung aus, auf wie viel Biomasse Sie gemeinsam kommen und welche Energietechnologie (zum Beispiel Biogasanlage, Verbrennungsanlage) sich hier anbietet. Zusammen mit unseren Ergebnissen zu Wärme- und Strombedarfen können wir darüber informieren, wie viele Gebäude oder Haushalte damit potenziell versorgt werden können.
Ein weiteres Projekt an dem JENA-GEOS® in der Funktion als unternehmerische Leitung beteiligt ist, ist „smood – smart neighborhood“. Wer oder was ist „smood“?
smood® ist ein von der JENA-GEOS gemeinsam mit der EenergieWerkStadt initiierter Regionaler Wachstumskern, der sich zum Ziel gesetzt hat, die aus unserer Sicht noch fehlenden Dienstleistungen und Technologien für den energetischen Quartiersumbau zu entwickeln.
Angesichts des sozial angespannten Wohnungsmarktes besteht die Herausforderung für uns Ingenieure, den energetischen Umbau der Bestandsquartiere nahezu warmmietenneutral zu gestalten.

Foto: JENA-GEOS
Die Nutzung eingesparter Energiekosten sowie Partizipation der Eigentümer und Mieter an einer dezentralen erneuerbaren Energieversorgung sind Wege dahin.
smood® schließt die technologische Lücke und realisiert vom digitalisierten Planungsprozess über neuartige Quartiersspeicher für Strom und Wärme bis hin zur Steuerungs- und Betriebsführungslösung eine systemische Wertschöpfung. Diese Quartiere werden damit zu dezentralen Kraftwerken, die von den Wohnungs- wie auch von Energieversorgungsunternehmen, aber auch von Dritten betrieben werden können. Sitz der Initiative ist Jena mit dem unternehmerischen Bündnissprecher und dem aktuell gegründeten smood e.V., dem planmäßigen Vorläufer einer Verwertungsgesellschaft.
Wie arbeitet die Initiative?
smood vereint 21 Mitglieder, davon 16 Unternehmen, 4 Forschungseinrichtungen und einen Verein. smood wird vom BMBF mit 10 Millionen € gefördert. Der Wachstumskern enthält 5 miteinander verflochtene Verbundprojekte. Abschluss ist 06/2022, wir sind gut auf dem Weg. Am 7.10.2021 findet die smoodKONFERENZ in der Jenaer Imaginata statt; Mitte Oktober öffnet die WorldExpo in Dubai mit smood als einzigem thüringischen Exponat im Deutschen Pavillon „CampusGermany“.
An welche Zielgruppe richtet sich das Angebot von smood? Können Sie bitte in diesem Zusammenhang auch beispielhaft ein paar Referenzen nennen?
Zielgruppen sind Stadtwerke, Wohnungsgesellschaften und Kommunen. Weitere Interessenten sind die Automobilindustrie als Ladestromanbieter und die Digitalwirtschaft.
Am 8. September 2020 war in einer Pressemitteilung des Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk e.V. (ThEEN) vom Projekt SEETHERMIE zu lesen. JENA-GEOS® wurde als Initiator und Projektleiter benannt. Welches Vorhaben verbirgt sich hinter diesem Projekt? Welche weiteren Projektpartner sind beteiligt? In welcher Phase befindet sich das Vorhaben? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das exemplarische Quartier am Zwenkauer See nahe Leipzig?
Das Projekt SEETHERMIE – Innovative Wärmeversorgung aus Tagebauseen beinhaltet eine Studie zur Nutzung von Seethermie am exemplarischen Standort am Nordufer des Zwenkauer Sees für die Wärmeversorgung eines künftigen Quartiers.
Im Projekt werden die Fragen der generellen technischen Eignung der thermischen Seewassernutzung für „kalte“ Nahwärmenetze, der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, der ökologischen, wasser- und bergrechtlichen Genehmigungsfähigkeit beantwortet und daraus die Randbedingungen der konkreten technischen Lösung mit ihrer infrastrukturellen Einbettung abgeleitet.
Die Grundlage der vorgesehenen innovativen Wärmeversorgung besteht in der Vakuum-Flüssigeis-Technologie. Dabei wird Seewasser in relativ geringen Mengen entnommen und in einem Flüssigeiserzeuger mittels Wassertankturboverdichter Wärme entzogen.
Projektpartner des von der JENA-GEOS® angeführten Teams sind das Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH Dresden, das Institut für Wasser und Boden Dr. Uhlmann, die Tilia GmbH, die Technische Beratung für Systemtechnik Bernd Felgentreff und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg.
Abschluss der von der Innovationsregion Mitteldeutschland / Metropolregion Mitteldeutschland beauftragten Studie ist der 30.6.2021.
Weitere Informationen finden Sie HIER.

Bild: JENA-GEOS
Sehr geehrter Herr Dr. Roselt, beurteilen Sie bitte zum Abschluss, was ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren getan werden muss, um die Dekarbonisierung zu verwirklichen.
Neben den politischen Weichenstellungen, der Anpassung der Förderlandschaft, der aufklärenden Arbeit an der Akzeptanz durch die Bevölkerung sowie Empowerment / Bürgerbeteiligung sind unsere wichtigsten Themen
- der energetische Stadt- bzw. Quartiersumbau vom Konzept bis zum Betrieb,
- die Beratung und Umsetzung der Dekarbonisierung in Unternehmen, insbesondere des noch recht ahnungslosen Mittelstandes. Diese Beratung muss vom bilanztechnischen Vorgehen (Rückstellungen, Dekarbonisierungsstrategien) bis hin zur Planung, Finanzierung und Begleitung konkreter technischer Maßnahmen reichen
- die Bereitstellung von Daten und Tools für den Einstieg und die Umsetzung der Energiewende
- die Gewährleistung von ökologischer Lebensqualität incl. der Bereitstellung von Trinkwasser und Nahrungsmitteln unter dem Blickwinkel des Klimawandels und der Resilienz.