21. April 2021, AS: Im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie wurde die Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA) vom Freistaat Thüringen mit der Erarbeitung einer Thüringer Wasserstoffstrategie und der Erstellung einer Wasserstoffkarte beauftragt. Die mittlerweile erarbeitete Wasserstoffstrategie liegt der Thüringer Landesregierung zur abschließenden Erörterung und Beschlusserhebung vor.
Die ThEGA fungiert in beratender Funktion, agiert im Auftrag der Landesregierung und beschäftigt sich mit den Themenbereichen des kommunalen Klimaschutzes, der klimaneutralen Landesverwaltung, der nachhaltigen Mobilität, der Erneuerbaren Energien, der Wärmeversorgung sowie der Energie- und Ressourceneffizienz.
Im Herbst 2010 hat die ThEGA erstmals ihre Arbeit aufgenommen und somit im vergangenen Jahr ihr 10-jähriges Bestehen gefeiert.
Zum 19. Mitteldeutschen Energiegespräch (digital) am 25. März 2021 hat Philipp Pylla, Projektleiter Zukunftsfähige Versorgungsstrukturen, allen Teilnehmern einen Einblick in die Thüringer Wasserstoffaktivitäten gewährt. Den vollständigen Vortrag finden Sie HIER

Philipp Pylla, Projektmanager Zukunftsfähige Versorgungsstrukturen der ThEGA, Foto: ThEGA

Sehr geehrter Herr Pylla, welche Projekte betreuen Sie aktuell?

Besonders hervorzuheben ist die Thüringer Landesstrategie Wasserstoff, welche wir momentan im Auftrag der Landesregierung erarbeiten. Ein weiteres sehr interessantes Projekt ist die Machbarkeitsstudie für eine Wasserstoffregion im Dreiländereck Nordbayern, Westsachsen und Südthüringen, welche wir im Auftrag des Umweltministeriums vergeben haben.

Relativ neu ist der Auftrag des Wirtschaftsministeriums die Anwendungspotenziale für Wasserstoff in energieintensiven Unternehmen zu prüfen. Darüber hinaus unterstützen wir noch viele weitere Projekte in Thüringen, wie beispielsweise das geplante Power to X Projekt in Bad Langensalza oder das HyStarter Projekt in Weimar und dem Weimarer Land.

Zum 19. Mitteldeutschen Energiegespräch (digital) haben Sie den Status Quo der Wasserstoffaktivitäten in Thüringen beleuchtet. Wie schätzen Sie persönlich die aktuellen Wasserstoffaktivitäten im Vergleich zu anderen Bundesländern ein?

Bei einem Vergleich der Wasserstoffaktivitäten anderer Bundesländer muss beachtet werden, dass andere Grundvoraussetzungen in Thüringen herrschen.

Wir haben keine Offshore Windenergieparks, welche mit Volllaststunden jenseits der 3.000 eine besonders hohe Auslastung von Elektrolyseuren gewährleisten können. Auch fällt kein Wasserstoff in großen Mengen als Nebenprodukt an, welcher einfach und günstig zu erschließen wäre. Zudem gibt es in Thüringen keine Großindustrie mit hohem Wasserstoffbedarf, weshalb in der aktuellen Phase die größte Herausforderung darin besteht, geeignete Anwendungspfade zu identifizieren und neue Bedarfe zu generieren. Es ist somit nicht ungewöhnlich, dass andere Bundesländer mit besseren Rahmenbedingungen schon etwas weiter sind. Wir müssen deshalb die Vorteile unserer dynamischen, kleinteiligen und dezentralen Erzeugungs- und Wirtschaftsstrukturen sowie unserer Rolle als Energietransitland herausarbeiten und für die Etablierung von Wasserstofftechnologien nutzen.

Gibt es ein Projekt/Unternehmen welches Sie persönlich besonders hervorheben würden, beispielsweise, weil es besonders innovativ, aktuell besonders erfolgreich ist oder einen besonderen Vorbildcharakter hat?

Im Rahmen einer Umfrage konnten wir viele Unternehmen in Thüringen identifizieren, welche sich mit der Erzeugung, Verwendung, Distribution von Wasserstoff oder Querschnittsthemen befassen. Für einige ist das Thema noch relativ neu, andere hingegen sind schon länger mit der Technologie vertraut. Zwei besonders bekannte Unternehmen kommen aus Neuhaus-Schierschnitz und Nordhausen. Kumatec stellt in Neuhaus-Schierschnitz unter anderem Druckelektrolyseure her und entwickelt sich momentan zum Systemanbieter für Wasserstofftechnologien. Maximator, der Spezialist für Wasserstoffverdichtung, vertreibt weltweit eigene Wasserstofftankstellen und errichtet momentan das bundesweit größte Wasserstofftankstellenwerk am Standort Nordhausen.

Während Ihres Vortrages haben Sie erwähnt, dass die ThEGA eine Wasserstoffkarte anfertigen wird. Wie kann man sich diese Karte vorstellen? Interaktiv oder als Studie?

Die Wasserstoffkarte wird in einem Geoinformationssystem erstellt und darin durch verschiedene themenspezifische Layer strukturiert. Somit bekommen wir schnell einen Überblick, wo es in Thüringen Komponentenhersteller, Dienstleister oder Forschungseinrichtungen gibt, welche sich mit dem Energieträger Wasserstoff befassen. Aber auch Wasserstoffsenken und -Erzeugungskapazitäten sowie relevante Infrastrukturen und laufende Projekte lassen sich damit kartografisch darstellen und so mögliche Synergien erkennen. Die Karte ist vorerst nur für den internen Gebrauch gedacht. Prinzipiell wäre jedoch auch beispielsweise eine Einbindung in unseren neuen Energieatlas, einer interaktiven Karte zum Stand der Energiewende in Thüringen, denkbar.

Beantworten Sie bitte abschließend die Frage, wie Sie persönlich die Entwicklung der Wasserstoffaktivitäten in Thüringen in den nächsten 10 Jahren sehen und auch welche Entwicklung Sie sich persönlich wünschen würden? 

Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen laut Thüringer Klimagesetz um 60 bis 70 Prozent reduziert werden. Wasserstoff wird bei dieser Umstellung des Energiesystems eine zentrale Rolle spielen. Mit der Thüringer Wasserstoffstrategie wird der Weg für eine klimafreundliche Wasserstoffwirtschaft im Freistaat geebnet.
Erste Initiativen zur Wasserstofferzeugung und –Anwendung wurden bereits gestartet. Am Erfurter Kreuz und in Sonneberg entstehen zwei neue Forschungs- und Anwendungszentren für Wasserstofftechnologien. Bis 2030 werden bereits signifikante Elektrolysekapazitäten aufgebaut und verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen sein. Erste Initialregionen mit besonders günstigen Bedingungen haben eine Wasserstoffwertschöpfung aufgebaut. Auf einigen nicht elektrifizierten Bahnstrecken werden Brennstoffzellenzüge eingesetzt. Auch die dieselbetriebenen Busse und Lkw werden sukzessive durch Wasserstofffahrzeuge ersetzt. Die Thüringer Unternehmen und die öffentliche Hand konnten bis dahin die in den nächsten Jahren verstärkt verteilten Fördermittel akquirieren und somit von den anstehenden Transformationsprozessen profitieren.
Mein persönlicher Wunsch ist eine Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, welche ein zentraler Pfeiler der Wasserstoffwertschöpfung sind. Nur durch konsequente Ausschöpfung der erneuerbaren Stromerzeugungspotenziale ist eine regenerative Wasserstoffwirtschaft möglich. Denn der Wasserstoff ist letztlich nur so grün wie der Strom, der zur Erzeugung verwendet wird.

Stand der Wasserstoffaktivitäten – Philipp Pylla zum 19. Mitteldeutschen Energiegespräch (digital) am 25. März 2021, Screenshots: Vi-Strategie