12. Mai 2021, AS: 2019 startete die erste EAST Energy and Storage Technologies Conference and Exhibition. Intension der Initiatoren war es, Leistungsschau, Dialog-Plattform, Wegweiser und Treiber für die Energiespeicher-Region Mitteldeutschland zu sein. Die Konferenz mit begleitender Fachausstellung sollte jährlich im September stattfinden.
2020 musste die EAST aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden und nunmehr gleichfalls für Juni 2021. Einen neuen Termin gibt es nicht.
Aktuelles hat dies zum Anlass genommen, um Referenten der EAST sowie deren spannende Vortragsthemen vorzustellen.
Den Beginn dieser Interviewreihe bildete Christine Zeidler, Projektleiterin des Kompetenzzentrums für Energiespeicherung und Energiesystem-management der Handwerkskammer Potsdam, am 6. April 2021. Das Interview zum Nachlesen finden Sie HIER. Fortgeführt wird die Reihe nun mit Bernd Felgentreff, Inhaber von „Technische Beratung für Systemtechnik“. Er war bereits zur ersten EAST als Referent im Workshop 3 – Sektorenübergreifendes Energiemanagement dabei. Zur EAST 2020 war er als Referent für den neuen Programmteil Speakers Corner eingeplant.

Sehr geehrter Herr Felgentreff, Sie sind Inhaber von „Technische Beratung für Systemtechnik“. An welche Zielgruppe richtet sich Ihr Beratungsangebot?

Vor allem Sektorenübergreifend an Industrie, Kommunen und Projekt-entwickler sowie Betreiber zur Nutzung neuartiger Wärmeversorgungs-unternehmen.

Welche technischen Themenbereiche haben Sie in Ihrem Produktportfolio?

Immer sind es noch wenig bekannte Technologien zur Nutzung bisher ungenutzter Potentiale. So können Aquifere (wasserdurchdrungene Lockergesteinsschichten im Untergrund) zur saisonalen Wärme und Kältespeicherung  herangezogen werden.
So kann Flüssigeis erstmalig in Größenordnung Kälte als Regelenergie anbieten.
So können Oberflächen-gewässer, wie Tagebauseen, Talsperren oder Flüsse, als Wärmequelle genutzt werden. Gras und Laub könnten pelletiert als Spitzenlastbrennstoff dienen.

Bernd Felgentreff, Inhaber Technische Beratung für Systemtechnik,
Foto: Bernd Felgentreff

Zur abgesagten EAST 2020 hätten Sie einen Vortrag über „Hybride Energieversorgung mit Kalten, intelligenten Wärmenetzen – Quartiere auf dem Weg zur Decarbonisierung“ gehalten. Den Einstieg bildete die Aussage, dass Dörfer ärmer werden. Können Sie dies bitte erläutern?

Früher versorgten die Dörfer ihre Stadt. Heute fahren die Bewohner in die Stadt, um dort einen Mehrwert zu erzeugen. Ein Ort mit 500 Einwohnern verwendet 500.000,- € zur Wärmeversorgung und 270.000,- € zur Stromversorgung. Geld was aus dem Ort fließt (teilweise bis Sibirien) und keinen bedeutenden Mehrwert erzeugt. Wesentliche Potentiale bleiben ungenutzt, was zu verändern ist!

Welche Möglichkeiten haben Dörfer Ihrer Meinung nach diesem Zustand entgegenzuwirken?

Platz ist ein Gut, was in der Stadt rar ist, aber im Dorf viele Potentiale kennt. Die ungenutzten Scheunen oder die Kombination von Solaranlagen und Landwirtschaft, zum Beispiel. Alle Biogasanlagen in Deutschland könnten deutlich mehr Wärme zur Verfügung stellen, wenn die niedertemperaturigen Potentiale mit Kalten, intelligenten Wärmenetze genutzt würden. Erdwärmesondenfelder oder Aquifere könnten Solarwärme im Sommer einlagern, um sie im Winter zur Verfügung zu stellen, wie es in Dänemark schon selbstverständlich ist.

Wärmenetze spielen hierbei eine wichtige Rolle. Welche Anforderungen sollten Wärmenetze zukünftig erfüllen?

Unsere schönen, durch die Gründerzeit geprägten, Innenstädte sind auf Basis der Kohleheizung zu Kaiserszeiten entwickelt und errichtet worden. Wenige Menschen haben sich schon ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie diese tolle Bausubstanz völlig ohne Öl und Gas auskömmlich betrieben /versorgt werden kann. Kalte, intelligente Wärmenetze – oder Mitmach-Wärmenetze – können alle Wärmepotentiale, wie die Abwärme aus dem Supermarkt oder die der Tiefgarage mit den vorgenannten Möglichkeiten verbinden und so die Wärmepumpen im altehrwürdigen Gebäude unterstützen, so dass der Wärmepreis erschwinglich bleibt.

Kalte Wärmenetze sind auf den ersten Blick ein Oxymoron. Wie funktionieren diese Netze?

Mein Spruch dazu ist: „Wer gegen Klitschko gewinnen will, darf nicht gegen ihn boxen!“ – soll heißen: Die zukünftig zu betreibenden Wärmepumpen müssen die Rahmenbedingungen so verändert bekommen, dass sie im Wärmepreis, auch im Gebäudebestand, eingesetzt werden können. Kalte, intelligente Wärmenetze leisten das, ohne dass jedem einzelnen der große Aufwand dafür aufgebürdet wird. Jedes Grad höherer Quelltemperatur hilft der Wärmepumpe ihre Arbeit mit 2% weniger Stromverbrauch zu erfüllen. Um die vielen neuen Möglichkeiten und Nützlichkeiten vorzustellen, ist der Vortrag zum Thema – oder vielleicht sogar das Tagesseminar – dann doch wichtig.

Worin liegt der Vorteil von kalten, intelligenten Wärmenetzen gegenüber herkömmlichen Wärmenetzen?

Sie müssen nicht 24 Stunden und ganzjährig betrieben werden, sondern nur wenn der Bedarf besteht. Sie müssen nicht für den schlechtesten Verbraucher betrieben werden. Was derjenige benötigt, leistet die Übernahmestation bei ihm im Keller. Sie haben prinzipiell 50% weniger Netzverluste und Sie können aus kostenarmen Wärmequellen regeneriert werden.

In diesem Zusammenhang sollte auch das Heizen mit Vakuum-Flüssigeis erwähnt werden. Welche Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten hat diese Technologie?

Kälte ist in vielen Anwendungen die teuerste und umwelttechnisch schwierigste Energie. Die Vakuum-Flüssigeis-Technologie arbeitet mit Wasser als Kältemittel, kann mit Überschussstrom betrieben werden und damit Kälte als Regelenergie bereitstellen. Ein Kältenetz mit Flüssigeis würde viele kleine Kältemaschinen ersetzen und als zentrale Einheit auch zentrale Abwärme produzieren, die wiederum in neuartigen Wärmenetzen als Wärmequelle eingesetzt werden kann – und das bis hin zum saisonalen Speicher. Wie die alten Bierbrauer, die vor 200 Jahren im Winter Eisblöcke aus dem See in ihre Kühlkeller transportierten, um im Sommer damit das Bier zu kühlen. Die Kälte aus dem Winter in den Sommer zu holen, ist circa 10 Mal effizienter als die Wärme aus dem Sommer in den Winter.

Bild von Daniel Kirsch auf Pixabay 

Welche Technologie würden Sie für die Zukunft als besonders erfolgsversprechend zum Erreichen der Klimaziele nennen?

Immer ist das Vermeiden von Verbrauch (Dämmen und Temperatur reduzieren) besser als das einfach anders Herstellen.

Dann sollten immer als nächstes die im Grundstück / im Ort zur Verfügung stehenden Potentiale genutzt werden. Die Erdwärme, die Sonne, das im Grundstück gewachsene Holz, der Wind ist nämlich schon mit dem Grundstückskauf mein Eigentum geworden.

Zur Ergänzung meiner Versorgung sollte besser mit dem Landwirt in der Nähe als mit dem Ölscheich gesprochen werden.
In diesem Zusammenhang ist Wasserstoff eher etwas für die Großindustrie und den Antrieb von Baufahrzeugen oder Überseedampfern.